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Die Großregion als Lebens-, Arbeits-, Kooperations- und Konsumraum(11/09)

Ein kurzer Rückblick auf eine öffentliche Konferenz...

die ein interessiertes und relativ zahlreich erschienenes
Publikum am Donnerstag abend, den 22. Oktober 2009 ins Hotel Sofitel auf Kirchberg geführt hat. In meinem 90minütigen Vortrag habe ich mich hautpsächlich von den folgenden zwei Zielen leiten lassen : 

  1. die Großregion in ihrer ganzen Komplexität und Heterogenität, mit ihren zahlreichen Facetten und unter besonderer Berücksichtigung der multiplen Verflechtungen zwischen Luxemburg und seinen Nachbarregionen vorstellen zu wollen;
  2. insbesondere auf die Rolle des Handels und des grenzüberschreitenden Konsums einzugehen, als konstitutives Element der Großregion (neben den Arbeitsmarkt-verflechtungen).

Der erste Teil hat mit einem Hinweis auf die ungemein große Abhängigkeit Luxemburgs vom nahen und fernen Ausland begonnen. Die Bevölkerung Luxemburgs nimmt zu, wegen der Immigration. Jeder weiss wohl, dass zahlreiche Portugiesen (~80.000) hierzulande wohnen, aber wissen wir auch, dass wir 28.500 Franzosen, 16.700 Belgier und 12.000 Deutsche, also insgesamt 57.200 Menschen aus unseren drei Nachbarländern bei uns aufgenommen haben?

Kommen wir zur Großregion. Mit ihren 11,4 Mio Einwohnern, ihren 65.400 km2 und einem kumulierten BIP von etwa 310 Mia Euro besitzt sie gewaltige Potentiale... gleichzeitig aber auch eine große Schwäche, nämlich ihre riesige Heterogenität, ein Umstand, der eine ausgewogene - „auf Augenhöhe“ sagen die Deutschen - die Zusammenarbeit sicher nicht erleichtert. Nachdem ich auf die Bedeutung der Grenzgängerströme eingegangen bin, die man als eine Art Zement der Großregion bezeichnen kann, habe ich versucht, eine Antwort auf die Frage zu finden, was die Großregion überhaupt ist? Erste Antworten: Ein riesiger, grenzüberschreitender Arbeitsmarkt; ein transnationaler Wirtschaftsraum, der dabei ist, zusammen zu wachsen; ein privilegierter Kooperationsraum; ein Gebiet mit zahlreichen und manchmal sehr engen Verflechtungen. Nicht zu vergessen, ein wahres „Paradies“ für den grenzüberschreitenden Konsum - womit wir bereits beim zweiten Teil meines Vortrags angekommen wären

Zu Beginn, ein paar Zahlen : Wie es scheint, geben die Luxem-
burger jedes Jahr 1 Mia Euro im Ausland aus, hauptsächlich in der Großregion. Laut Jean-Claude Juncker 160 Mio Euro allein in der Stadt Trier - er muss es wissen, schließlich ist er „der einzige lebende Ehrenbürger“ dieser Stadt. Studien des STATEC haben gezeigt, dass 175 Mio Euro für den Kauf von Möbeln, 145 Mio Euro für Kleider und 25 Mio Euro für Schuhe ausgegeben werden. Respekt, meine Damen. Auf der anderen Seite darf man nicht vergessen, dass Zehntausende Grenzgänger, die in Luxemburg einer beruflichen Tätigkeit nachgehen - diese „unermüdlichen Ameisen“ - gleichzeitig... Konsumenten sind! Was sage ich: Ungemein wichtige Kunden, geben sie doch etwa 1,2 Mia Euro pro Jahr in Luxemburg aus, was ungefähr ein Fünftel des Bruttogehalts ausmacht!

Das Forschungsprojekt „Leben in der Großregion“, das bereits vor einigen Jahren von der Uni Luxemburg und der Stiftung Forum EUROPA realisiert wurde, hat gezeigt, dass zwischen 80% und 90% der Bewohner der inneren Grenzräume der Großregion mehr oder weniger regelmäßig in einer Nachbarregion einzukaufen. Umso besser - Kampagnen der Art wie die, die aus Luxemburg DAS (oder doch nur EINES?) Geschäftszentrum der Großregion machen möchte, werden die Anhänger der Trierer City ohnehin nicht umstimmen können.

Ich habe mich dann einigen Eckpunkten der - sehr beeindruckenden - Marketing- und Kommunikationsoffensive unserer Nachbarn (Städte, Geschäfte, Einkaufsgalerien) zu gewandt. Zehntausende Euros verschwinden hier in mehrseitigen Anzeigenkampagnen am Vorabend größerer Festtage, in Brochüren und in diesen unzähligen Beilagen, wie wir sie praktisch jeden Tag in unseren (luxemburgischen!) Tageszeitungen finden. Von nichts, kommt nichts! Wer kennt nicht Möbel Martin in Konz, IKEA in Arlon oder Designer Outlets in Zweibrücken? Ein sichtlich interessiertes und amüsiertes Publikum bekam zahlreiche dieser Reklamen vorgestellt, sogar von Banken und Tankstellen, etwas was einen waschechten Luxemburger natürlich nicht mehr vom Stuhl wirft.

Zum Schluss habe ich für eine aktivere, offenere, dynamischere und auch vorausschauende Art der grenzüberschreitenden Kooperationspolitik plädiert. Es geht schon lange nicht mehr darum eine Antwort auf die Frage zu finden, ob es denn die Großregion überhaupt gibt. Die wichtige Frage betrifft die Art und Weise, WIE wir in Zukunft mit dieser Realität umgehen können bzw. sollen. Die Großregion geht uns alle an. Wir sollten aufhören, uns auf unserer Lorbeeren ausruhen zu wollen, die Zeichen der Zeit erkennen, die Ärmel hochkrempeln, unsere Stärken ausfindig machen und verstärkt darauf setzen und das eine oder andere, was nicht so gut klappt im schönen Luxemburg endlich abstellen. Der Weg ist lang, aber man kommt ganz schön weit... wenn man nur will.

Claude Gengler
Conferencier
Geschäftsführer der Stiftung Forum EUROPA in Luxemburg
(claude.gengler@forum-europa.lu)

18/11/2009