VW DIESELGATE ENDLOSE GERICHTSVERFAHREN


Übersicht

Zwar sind in vielen anderen Ländern, darunter Österreich, Belgien, Italien, die Niederlande, Spanien, Portugal und das Vereinigte Königreich, individuelle oder kollektive Gerichtsverfahren im Gange, doch in keinem dieser nationalen Verfahren wurden entscheidende Urteile gefällt. In Frankreich läuft ein Strafverfahren, das zu einer Vorabentscheidungsfrage an den Gerichtshof der Europäischen Union geführt hat: Stellt die von VW zur Erlangung der Typengenehmigung für die betreffenden Modelle eingesetzte Abschalteinrichtung für die NOx-Emissionskontrolle einen Verstoß darstellt gegen die Verordnung (EG) Nr. 715/2007 ? (Rechtssache C-693/18)?

Diese Frage dürfte sich kaum mehr stellen angesichts der Stellungnahme der deutschen Genehmigungsbehörde (KBA) und zahlreicher Urteile, darunter jüngst das der britischen High Court oder vor einiger Zeit das des Verwaltungsgerichtshofs von Rom (Latium), sowie Entscheidungen von Verwaltungsbehörden (Italien, Niederlande), die für diese Tatbestände Bußgelder auf derselben Rechtsgrundlage verhängten, die auch für die in unserem Land anhängigen Einzelbeschwerden herangezogen wurde. Eine Bestätigung durch den Europäischen Gerichtshof (aber wann?) kann die Klagen der sich in die Länge ziehenden Gerichtsverfahren, nur bestätigen. Der VW-Konzern nutzt alle verfahrenstechnischen Tricks, um Gerichtsverfahren zu verzögern, und ist nicht bereit, außer in Deutschland, gütliche Vergleiche abzuschließen. Die Verhandlungen in Belgien, die durch das belgische Gesetz über den kollektiven Rechtsschutz vorgeschrieben sind, waren nicht erfolgreich. Die Anfrage unserer niederländischen Kollegen, die sich auf das deutsche Abkommen beriefen, wurde von VW lapidar negativ beantwortet.  

VW versucht, die Zuständigkeit der Gerichte anderer Mitgliedstaaten mit der Begründung anzufechten, dass jede Klage gegen VW (außervertraglich, da die Verbraucher keinen Vertrag direkt mit dem Hersteller abgeschlossen haben) vor dem Gericht des Ortes zu erheben sei, an dem VW seinen Sitz hat, d.h. in Deutschland. Diese Verteidigungslinie verzögert vor allem in Österreich Klagen, so hat das Gericht in Klagenfurt dem EU-Gerichtshof eine Auslegungsfrage vorgelegt. Das Urteil ist noch nicht ergangen, aber die Schlussfolgerungen des Generalanwalts vom2. April 2020 in der Rechtssache C-343/19 zeigen den Weg auf: Selbst wenn der Ort des ursächlichen Geschehens in Deutschland liegt, ist der Schaden an dem Ort eingetreten, an dem der Geschädigte das Produkt von einem Dritten (VW-Autohaus) erworben hat. Daraus folgt logischerweise auch, dass das Recht des Landes der klagenden Verbraucher Vorrang hat, wie vom Amsterdamer Gericht am 20. November 2019 in der von der Stichting Car Claimeingereichten Sammelklage anerkannt wurde. Ansprüche gegen inländische Verkäufer und Importeure unterliegen sowieso dem nationalen Recht des betreffenden Landes.       

Situation vor deutschen Gerichten 

Außergerichtlicher Vergleich zwischen dem deutschen Verbraucherverband vzbv und dem VW-Konzern (Ende April 2020): Dies folgt auf eine vom vzbv eingereichte Musterklage. Von dieser Vereinbarung profitieren jedoch nur (i) Verbraucher, die sich dieser Sammelklage durch Eintragung in das Gerichtsregister angeschlossen haben, (ii) die ihr Auto vor dem 31. Dezember 2015 gekauft haben und (iii) zum Zeitpunkt des Kaufs ihren Wohnsitz in Deutschland hatten. Der deutsche Verband bedauert, dass Verbraucher aus anderen europäischen Ländern nicht davon profitieren können, aber VW lehnte dies entschieden ab mit dem Argument, dass nur deutsches Recht zur Anwendung käme, das für Verbraucher aus anderen Ländern nicht anwendbar sei.

MyRight/Financialright-Sammelklage: Hierbei handelt es sich nicht um eine "Musterklage", sondern um die Abtretung von Verbraucheransprüchen (gegen VW als Folge der Manipulation der NOx-Emissionen) an die Anwaltskanzlei Hausfeld. Die Klage wurde vor dem Gericht in Braunschweig eingereicht, als Standort des VW-Hauptsitzes. An dieser Aktion nehmen Verbraucher aus Slowenien und der Schweiz sowie einige in Luxemburg ansässige Personen teil. VW stellt die Gültigkeit von Vertretungsvollmachten nicht-deutscher Verbraucher in Frage. Das Gericht wird darüber zu entscheiden haben, bevor das Verfahren fortgesetzt werden kann.

Verfahren vor dem Bundesgerichtshof (BGH): Der BGH wird über zwei grundsätzliche Fragen zu entscheiden haben, die bereits in unzähligen Einzelfällen vor zahlreichen Landes- und Oberlandesgerichten entschieden wurden: (i) Hat VW die Käufer vorsätzlich und sittenwidrig getäuscht (§ 826 BGB sittenwidrige Schädigung)? (ii) Erhält der Autobauer eine Entschädigung für die Nutzung des Fahrzeugs? Die erste Anhörung, die für den 5. Mai anberaumt wurde, dürfte bereits wichtige rechtliche Hinweise für die Zukunft liefern. 

Und wie ist der Stand in Luxemburg? 

Wir haben immer noch kein Gesetz, das es u.a. der ULC erlauben würde, Sammelklagen zu erheben, wie dies in vielen anderen europäischen Ländern längst der Fall ist. Wir warten immer noch auf einen Gesetzesvorschlag. In Deutschland wurde das Gesetz über die Musterfeststellungsklage nach den Ereignissen, die dem Verfahren gegen VW zugrunde lagen, verabschiedet, und es wurde politisch alles getan, um sicherzustellen, dass dieses Gesetz vor Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist für Gerichtsverfahren in Kraft treten konnte. Wie wird unser künftiges Gesetz aussehen?   

Vor dem Bezirksgericht von und in Luxemburg sind seit fast zwei Jahren vier einzelne, aber zusammengefasste Fälle anhängig. Wie überall haben die Anwälte der Angeklagten (Händler/Losch-Importeur/VW-AUDI) ihr Möglichstes getan, um die Verfahren zu verzögern, indem sie sich zunächst auf die Unzulässigkeit beriefen, insbesondere weil es sich um eine illegale, verschleierte Gruppenklage von ULC handeln würde, und dann, nachdem sie diese erste Schlacht verloren hatten, systematische Verschiebungen für ihre Schlussfolgerungen beantragten. 

Die letzte vom Gericht gewährte Frist läuft Mitte Mai ab. Gäbe es nicht die Covid-19-Pandemie, hätten wir gehofft, noch vor der Sommerpause ein Urteil zu erhalten. Doch nun erscheint jede Prognose eines Zeitplans gewagt. 

Die gute Nachricht, falls es eine gibt, ist, dass wir eine zehnjährige Verjährungsfrist für vertragliche, außervertragliche oder gemischte Klagen gegen Händler haben, die logischerweise erst im September 2015 begann, als der VW-Betrug bekannt wurde. Auch wenn es viel Geduld erfordert, wird die Position von VW, dass nichts Illegales begangen wurde und dass es keinen Schaden gibt, immer brüchiger. 

Intern diskutieren wir darüber, was unsere nächsten Initiativen sein könnten, insbesondere wenn das Bezirksgericht zugunsten der Kläger entscheiden sollte. Einige Wege werden derzeit geprüft, darunter der Einsatz des europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen bei grenzüberschreitenden Streitigkeiten, bei denen der Streitwert 5.000 € nicht übersteigt. 

Für weitere Informationen: info@ulc.lu

16. April 2020